Mit regenerativen Energien wird unsere Zukunft beheizt und betrieben werden, soviel wissen wir schon heute. Denn die fossilen Energieträger, die wir heute schamlos in die Luft blasen, sind in dieser Zukunft nicht mehr existent – oder so teuer, dass wir es uns nicht leisten können, damit zu heizen oder Strom zu erzeugen. Wir werden daher Technologien entwickeln müssen, die es uns erlauben, Energie nicht nur aus Wasser, Wind und Sonne zu gewinnen, sondern auch aus der stets nachwachsenden Biomasse. Und dies ohne Maismonokulturen und nicht in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion.
Diese Zukunft liegt gar nicht mehr so fern, denn man kann sie schon heute real besichtigen. 24 warm eingepackte Mössingerinnen und Mössinger taten dies am vergangenen Samstag, 29.11., bei einer Exkursion in die Bioenergieregion Bodensee auf Einladung von „Energiebündel & Flowerpower“. Ziele waren Wurmlingen bei Tuttlingen sowie die beiden Bioenergiedörfer Mauenheim und Büsingen. Hier konnten die verschiedensten Energieformen besichtigt und Hunderte von Fragen beantwortet werden. Ein energiegeladener Tag mit folgenden Stationen:
Wurmlingen bei Tuttlingen
Die 3.500-Einwohner-Gemeinde am Fuß des Heubergs investierte 2008 1,16 Millionen Euro in eine Holzhackschnitzel-Heizzentrale. Sie beheizt via Nahwärmenetz zwei gemeindeeigene Hallen, eine Schule, das katholische Gemeindezentrum, das Schloss, ein Hotel sowie weitere Einzelgebäude.
Betrieben wird die Anlage zu 50% mit gemeindeeigenem Holz sowie Landschaftspflegematerial der Gemeinde. Wie Bürgermeister Klaus Schellenberg ausführte, spart die Kommune damit ca. 120.000 € pro Jahr. Hinzu kommen weitere 350.000 € Ersparnis für nicht mehr notwendige Heizungserneuerungen.
Es waren aber nicht nur finanzielle Erwägungen, die zu dieser Entscheidung führten. So werden beispielweise 414 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart, die Wertschöpfung bleibt in der Gemeinde und diese macht sich unabhängiger von internationalen Energiekonzernen und politischen Krisen.
Schellenberg und Marquardt verheimlichten bei ihrer Führung aber auch nicht die problematischen Seiten des Projektes. So benötigt eine Hackschnitzelanlage mehr Betreuung als eine konventionelle Öl- oder Gasheizung. Die Wurmlinger Hackschnitzelspezialisten vermittelten allerdings auch den Eindruck, dass sie diesen Mehraufwand für gerechtfertigt halten angesichts der vielen Vorteile dieser Technologie.
Interessant aus Mössinger Sicht: Die Wurmlinger Anlage benötigt pro Jahr 3.200 Schüttraummeter (srm) Material. Zum Vergleich: Bei unserer Holzabfuhraktion im Frühjahr 2014 wurden 370 srm Material gesammelt. Das Testgebiet Auchtert umfasst nur etwa ein Zwanzigstel der Mössinger Streuobstbestände.
Leicht durchgefroren verabschiedete sich die Exkursion von Bürgermeister Schellenberg und Betriebsleiter Marquardt mit einem Dankeschön-Paket: Roter Mössinger und Gelees aus heimischer Streuobstproduktion.
Mauenheim
Das 430-Einwohner-Dorf im Landkreis Tuttlingen war das erste Bioenergiedorf in Baden-Württemberg. Seit 2006 versorgt es sich bei Strom und Wärme komplett aus heimischen erneuerbaren Energien.
Empfangen wurde die Exkursion dort von Jutta Gaukler, die bei der Firma solarcomplex für die Erlebnistouren durch Bioenergiedörfer zuständig ist. Die solarcomplex AG versteht sich als „Bürgerunternehmen für erneuerbare Energien in Baden-Württemberg“ und will bis 2030 die Energieversorgung in der Bodenseeregion weitgehend auf regenerative Energie umbauen.
Die Grundlage der Energieversorgung in Mauenheim, so Gaukler, ist die Biogasanlage, die von zwei Landwirten betrieben wird, sowie eine Holzhackschnitzelheizung. Sie produzieren Wärme für 70 Haushalte (von 100) in Mauenheim und über das BHKW der Biogasanlage zusätzlich das Neunfache des Strombedarfs des Ortes. Dieser Überschuss wird ins Netz eingespeist und entsprechend vergütet.
Während früher also 300.000 Liter Heizöl und 500.000 kWh Strom pro Jahr „importiert“ werden mussten und dafür Hunderttausende Euro abflossen, bleibt in Mauenheim nun die Wertschöpfung vor Ort, und vier Millionen kWh werden ins Stromnetz „exportiert“.
Mit diesen beeindruckenden Zahlen verabschiedete sich die Exkursion zunächst zum Mittagessen, um zwei Stunden später erneut von Frau Gaukler empfangen zu werden, diesmal in Büsingen.
Büsingen
Je nach Lage, vorhandenen Bedingungen und handelnden Akteuren hat jedes Bioenergiedorf seinen eigenen Zuschnitt. Einen sehr speziellen kann man in Büsingen besichtigen, weil diese in einer am Rhein nahe Schaffhausen gelegenen Exklave zwar deutsches Territorium ist, aber zum Schweizer Wirtschaftsraum gehört. Dementprechend wird hier z.B. mit Franken bezahlt. Und: Hier gilt keine EEG-Umlage. Daher wurde hier ein anderer regenerativer Weg der Energieversorgung gesucht und gefunden.
Den Wärmebedarf von Büsingen deckt im Sommer ein über 1.000 m2 großes Solarthermie-Kollektorenfeld ab. Der deutlich größere Energiebedarf in der Übergangs- und Winterzeit wird dann über eine Holzhackschnitzelheizung produziert.
Mit vielen Informationen und Antworten fuhr man nach einem ereignisreichen Tag zurück nach Mössingen. Dabei ging die Diskussion noch lange weiter und warf neue Fragen auf. Gibt es Möglichkeiten in Mössingen und Nehren, Biomasse energetisch zu verwerten? Welches Material steht dafür zur Verfügung? Wann wird der Ölpreis wieder anziehen? Was geschieht derzeit mit der Abwärme der beiden Biogasanlagen in Ofterdingen und Nehren? Wie wird eigentlich das neu um die Pausa geplante Stadtviertel beheizt werden? Und wie die Pausa selbst, wenn dort womöglich in einigen Jahren die Bogenhalle zur Stadthalle wird und das Verwaltungsgebäude zum Hotel und Museum? Könnte Mössingen eines Tages sogar energieautark werden? Fragen, die sich bei der Rückkehr zum Jakob-Stotz-Platz angesichts der schönen Adventsbeleuchtung in Mössingen gleich wieder stellten.
Ein Dank an dieser Stelle an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die engagierte Teilnahme, für die vielen Fragen und Ideen und den Willen, das neu Erlernte und Erfahrene auch nach Mössingen zu tragen.