Dass Mössingen Flowerpower hat, wies das Projekt „Energiebündel & Flowerpower“, dessen Finanzierung Ende des Jahres ausläuft, in seiner zweieinhalbjährigen Laufzeit eindrucksvoll nach. Ob diese Kraft in Mössingen auch genutzt werden kann, darum ging es in der Podiumsdiskussion als Höhepunkt der Abschluss- und Aufbruchveranstaltung am gestrigen Dienstagabend in der Pausa-Tonnenhalle.
Den Anfang im überfüllten Vortragsraum machte der Hauptfinanzier des Energieprojekts. Manfred Fehrenbach, Geschäftsführer der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg überbrachte die Grüße des Ministers und erinnerte daran, dass noch zwei weitere Mössinger Projekte aus seinem Haus finanzielle Unterstützung erfahren.
Sabine Mall-Eder, Projektleiterin von „Energiebündel & Flowerpower“, ließ die zweieinhalb Jahre Revue passieren und fasste in ihrer Präsentation noch einmal die wesentlichen Erkenntnisse zusammen, die von den theoretischen Potentialanalyen über praktische Feldversuche mit Schnittgutabfuhren bis hin zu detaillierten Maßnahmenkarten reichten. (Eine sehr ausführliche Version davon ist im Abschlussbericht des Projekts nachzulesen, der derzeit in Arbeit ist und hier kostenfrei bestellt werden kann.)
Im Anschluss gab Prof. Dr. Michael Weiß eine kleine Einführung in die „Karbonisierung von Biomasse“, kurz Biokohle. Dieses Thema begleitete das Projekt von Anfang an, reifte aber erst in den letzten Monaten zu einer real in Mössingen verwirklichbaren Idee heran. Das von Weiß und seinen Partnern Dr. Bernd Görlach und Martin Wowra erdachte Projekt „Vital Carbon“ möchte aus der von Mössinger Streuobstwiesen gewonnenen Biomasse Biokohle herstellen, veredeln und vertreiben.
Mit vielen Fragen ging es anschließend in die Pause, zu der die Besucherinnen und Besucher kurzerhand ihre Sitzgelegenheiten mit nach draußen transportierten, denn der zweite Teil der Veranstaltung sollte im Foyer der Tonnenhalle stattfinden, wo vor der Fenstern des Regionalverbands ein kleines, feines Podium aufgebaut stand.
Vorher aber nahm Michael Weiß alle Biokohle-Interessierten mit nach draußen auf den Löwensteinplatz, wo er das Carbonisierungsprinzip an einem kleinen mitgebrachten Ofen live demonstrierte.
Währenddessen konnten die drinnen gebliebenen Besucher einen Teil der Gerätschaften bestaunen, die mithilfe von Projektmitteln, PLENUM-Fördergeldern und Spenden angeschafft worden waren, und die voraussichtlich ab Herbst 2016 in einem neu aufgebauten Geräteverleih künftig zur Pflege der Streuobstwiesen ausgeliehen werden können.
Aus der Pause zurückgekehrt und von Mössinger Apfelschorle gestärkt, erwartete die Zuhörer ein spannender Abschluss. Moderator Prof. Dr. Bastian Kaiser dirigierte leichthändig Podium und Publikum entlang der eingangs gestellten Frage „Kann Mössingen Flowerpower?“ in die von ihm gewünschten Richtungen.
Oberbürgermeister Michael Bulander verspricht sich vom Biokohle-Konzept neue Lösungsideen für die Häckselplatz-Problematik und stellte Viral Carbon Hilfe bei der Standortsuche in Aussicht. Bürgerenergie-Vorstand Wilfried Kannenberg wies angesichts des derzeitig niedrigen Ölpreises auf die Notwendigkeit langfristiger Planungen hin und zeigte sich interessiert am Hackschnitzel-Konzept Kastanienhof. WeilerWärme-Vorstand Klaus Gall machte mit seinem sieben Jahre „alten“ Bioenergiedorf Pfalzgrafenweiler Mut und kehrte die Frage nach herumfahrenden Biomasselastern um: Welche Transportwege nimmt eigentlich das Öl? „Vital-Carbon“-Gründer Bernd Görlach stellte Arbeitsplätze und Wertschöpfung für Mössingen in Aussicht. Und seine mitgebrachten Biokohle-Pellets verschwanden nach der Veranstaltung ruckzuck in den Taschen erwartungsvoller, bodenverbessernder Gartenbesitzer. Jens Mück vom Landesnaturschutzverband erinnerte daran, dass die artenvielfältige Natur in den Streuobstwiesen nur erhalten werden kann, wenn diese Kulturlandschaft auch gepflegt wird. Sabine Mall-Eder gab sich zuversichtlich, dass die mobilisierbare Biomasse im oberen Steinlachtal problemlos für mehrere Anlagenstandorte ausreichen dürfte.
Auch das Publikum steuerte wichtige Fragen und Anregungen bei. Wie lässt sich der Wiesenschnitt zu annehmbaren Preisen verwerten? Was ist der Unterschied zwischen Biokohle und Asche und warum ist das eine gut für den Boden, das andere verboten? Könnte die Biokohle dereinst als „Der schwarze Mössinger“ vermarktet werden?
Als sich nach drei Stunden die Versammlung langsam auflöste, die Diskutanten ihren roten Mössinger unter den Arm klemmten und Michael Weiß seinen Ofen abbaute, war noch lange nicht ausdiskutiert. Und das ist ja auch gut so. Denn während das Projekt sich dem Ende zuneigt, werden seine Ideen in vielen Mössinger Köpfen weiterarbeiten. Die dann irgendwann die Antwort liefern: „Natürlich kann Mössingen Flowerpower!“