Dass Landschaftspflege und Energiewende gut zusammenpassen, wurde in Mössingen mit der ersten Streuobstwiesen-Holzabfuhr im Frühjahr dieses Jahr gezeigt. Aber natürlich sind auch anderswo kluge Leute auf denselben Gedanken gekommen – und das wesentlich früher.
Ein guter Grund, am gestrigen Dienstag, 4.11.2014 zwei Experten zu uns nach Mössingen einzuladen, die das Thema auf ganz anderen Gebieten beackert haben als im Streuobst. Rund 50 Zuhörer bekamen Näheres über ihre Erfahrungen erzählt.
Den Anfang im Vortragsraum der Pausa-Tonnenhalle machte Ralf Worm, Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbandes (LEV) Ostalbkreis, der das Pilotprojekt „Heckenpflege zur Hackschnitzelbefeuerung“ (kurz und lustig: „PePe Heckhack“) vorstellte.
Ziel dieses Projekts ist es, die ohnehin notwendige Pflege von Sukzessionshecken durch die kommerzielle Nutzung des gewonnenen Brennmaterials kostengünstiger zu gestalten. Insgesamt wurden bei dem 2002 gestarteten Projekt bislang 35 Kilometer Hecken gepflegt. Dabei wird in der Regel ein Drittel des Bestands auf den Stock gesetzt, also komplett abgeschnitten. Worm erläuterte die verschiedenen Ausformungen solcher Maßnahmen und die dazu verwendeten Maschinen, ging aber auch auf die Akzeptanzproblematik ein: Naturschutzfachlich notwendige Maßnahmen können für Laien eher nach Zerstörung von Flora und Fauna aussehen und müssen den Menschen daher genau erklärt werden.
Hilfreich ist dabei auch der wirtschaftliche Aspekt. Nach 12 Jahren „PePe Heckhack“ sind nicht nur die logistischen Rahmenbedingungen optimiert, auch die Hackschnitzelpreise sind mittlerweile so gestiegen, dass mit ihrem Verkauf die Hälfte der Pflegekosten finanziert werden können. Ralf Worm fasste dies knapp und auf den Punkt zusammen: „Wer Hackschnitzel in die Hecke bläst, ist selber schuld.“
Zum Schluss seines Vortrags stellte Worm noch das Projekt „Wertholzwiesen“ vor, das im Ostalbkreis mittlerweile zwar aufgegeben wurde, für die hiesigen Streuobstwiesen aber vielleicht eine interesanten Ansatz birgt. Wertholzwiesen sind eine „moderne Form“ der Streuobstwiese mit dem Zweck der Wertholzgewinnung, insbesondere von Obstbäumen, die als Furnierholz gefragt sind: Birne, Kirsche, Speierling oder auch Walnuss. Dabei werden die Bäume auf eine Höhe von 4 Meter 50 aufgeastet; aus Naturschutzgründen bleibt ein festgelegter Totholzanteil stehen. Im Vergleich zu einer klassischen Fichtenreinkultur kann hier schon nach kürzerer Zeit (70 statt 110 Jahre) ein höherer Ertrag erzielt werden, eine echte Alternative zur Aufforstung, auch weil der Pflanz-, Durchforstungs- und Holzernteaufwand geringer ist.
Diese Idee wie auch „PePe Heckhack“ wurde in der apfelschorlegeschwängerten Pause vom erneut sehr fachkundigen Publikum eingehend diskutiert.
Nach der Pause berichtete Sabine Mall-Eder, Projektleiterin von „Energiebündel & Flowerpower“ vom aktuellen Stand des Projekts, gab einen Ausblick auf die geplante Exkursion am 29.11. sowie auf die Planungen für 2015. Neben einer Fortführung des Konzepts der energiereichen Blühmischungen soll erneut die Abfuhridee im Mittelpunkt stehen. Im Frühjahr wird auf einer erweiterten Testfläche, diesmal in Belsen und in Nehren eine weitere Holzabfuhr organisiert. Zudem soll nun auch der Grünschnitt in den Fokus rücken. Und schließlich wird – so Mall- Eder – uns auch das Thema Energiegenossenschaft weiter beschäftigen.
Eine ganz andere Region – den Schwarzwald – mit ganz anderen Herausforderungen, aber einem ähnlichen Ansatz beschrieb anschließend Dr. Daniel Weiß, Geschäftsführer der Holzenergie Betreibergesellschaft (HBG) GmbH, ein Unternehmen der „Stromrebellen“ der Elektrizitätswerke Schönau (EWS).
Nach einer kurzen Einführung in die Energieproblematik der kommenden 30 Jahre („Stromerzeugung ohne Wärmenutzung ist absurd“) leitete Weiß zum Thema „Energieholz aus der Landschaftspflege“ über.
Das Szenario: Der Rückgang der Landwirtschaft im Schwarzwald führt gleichermaßen zum Rückgang von Offenlandschaften. Im LEADER-Projekt „Sukzessionsflächenmanagement“ wurde ermittelt, wie viel Fläche dies ist und wie viel Holzvorräte hier geborgen liegen. Ziel: Die Wiederherstellung solcher Offenlandschaften durch die Nutzung des Sukzessionsholzes als Hackschnitzel. In fünf Projektgemeinden unterschiedlicher Struktur wurden über Luftbilder, GIS-Daten und schließlich vor Ort das Potenzial berechnet und kartiert.
Die Menge des theoretisch nutzbaren Landschaftspflegeholzes entspricht etwa der Hälfte der Menge der Holzhackschnitzel-Produktion des „offiziellen“ Schwarzwald-Waldes. Es kann damit die sich abzeichnende Nutzungskonkurrenz für Waldholz entschärfen und stellt gleichzeitig „eine bemerkenswerte Win-Win Situation zwischen Produzenten (Land- und Forstwirtschaft), Abnehmer (Energie), Dienstleister und Naturschutz dar“.
Interessante Erfahrungen, die beim Projekt gemacht wurden: Die Flächenräumung und das Rücken des Materials sind wesentliche Kostenfaktoren, laut Weiß ist die „Kostenreduktion wichtiger als Erlösmaximierung“, und: die Sortimentsvielfalt im Holz sollte reduziert werden. Denn während das klassische „Aufarbeiten“ von Stammholz bei solchen Maßnahmen ein Zuschussgeschäft ist, kann mit der Variante „Energieholz“, also die Verwertung des kompletten Holzes vom Stam bis zum Ast, tatsächlich Geld verdient werden.
So konnten die Zuhörer an diesem Abend zweimal dasselbe aus sehr unterschiedlichen Perspektiven erfahren: Zweimal Landschaftspflege, zweimal Hackschnitzel, zweimal Kosteneinsparungen. Und: Zweimal Mut. Denn wie Worm betonte auch Weiß, dass bei Pflegemaßnahmen gelegentlich auch Mut vonnöten sei. Gepaart mit einer vernünftigen Aufklärung und Dialogbereitschaft führe dies zu einer guten Akzeptanz solcher Maßnahmen.
Dokumentation:
Vortrag Ralf Worm (PDF, 6.660 KB)
Vortrag Dr. Daniel Weiß (PDF, 12.558 KB)
Präsentation Sabine Mall-Eder (PDF, 3.406 KB)